Urlaub in der eigenen Stadt. Als Hildesheimer auf Sightseeing-Tour

Für viele wird sich das Leben im Jahr 2020 weitgehend in heimischen Gefilden abspielen. Genug Zeit, sich auf das Abenteuer einlassen, die Welt vor der eigenen Haustür mal mit anderen Augen neu zu erkunden. Wer als Hildesheimer durch seine Heimatstadt streift, übersieht leicht so manche schöne Ecke, gerade wenn sie direkt vor der eigenen Nase liegt. Auch ein Stadtbummel kann viele Facetten haben. Abseits der sonst üblichen Alltagshektik lässt es sich gemütlich durch die Innenstadt, alte Gassen oder über Wallanlagen schlendern und manche Sehenswürdigkeit neu entdecken.

Marktplatz, Andreas-, Michaeliskirche, Dom, Kehrwieder, Altstadt und Museen? Klar, wir Hildesheimer kennen alle Sehenswürdigkeiten und haben dieses Metier eher den Touristen überlassen. Dabei kann ein Sightseeing-Trip durch die Rosenstadt auch für Alteingesessene durchaus neue Erkenntnisse bringen. Im Spätsommer bot sich die Gelegenheit, bei fachkundiger Besichtigung zweier monumentaler Bronzewerke im Hildesheimer Dom dabei zu sein. Bernwardtür und Christussäule gelten neben weiteren bedeutenden Kunstschätzen als herausragende Sehenswürdigkeiten des Doms. Die mächtigen Flügel der Bernwardtür wurden im Jahr 1015 gegossen und nach ihrem Stifter, Bischof Bernward, benannt. Die fast fünf Meter hohen, zusammen etwa vier Tonnen schweren, gegossenen Doppelflügel untergliedern sich in zweimal acht künstlerisch gestaltete Felder. Zwei große Löwenköpfe als Türöffner symbolisieren die weltliche und die kirchliche Macht. Die Türflügel waren nicht nur damals einzigartig, sondern sind es heute noch genauso. In herausragender Ausdruckskraft und einer für die Entstehungszeit unglaublichen Dramatik zeigt das Portal in den einzelnen Feldern Szenen aus der Bibel. Die linke Bildfolge zeigt absteigend Motive aus dem Alten Testament, die rechte aufsteigend aus dem Neuen Testament. Die Bilder beginnen mit der Erschaffung Adams und enden mit Christi Himmelfahrt.

Unter theologischen Aspekten ist auch die Darstellung der horizontal gegenüberstehenden Szenen nicht zufällig gewählt. So verweisen die Ereignisse im Alten Testament des linken Flügels auf die rechtsseitig gegenüberliegenden Bilder des Neuen Testaments. Die Erschaffung Adams verweist auf die Auferstehung Christi oder der Sündenfall Adams und Evas auf die Kreuzigung. So entstehen gleichzeitig acht Darstellungen, die sich paarweise gegenüberliegend, gegenseitig ergänzen. Für die häufig ohne Kenntnis des Lesens und Schreibens aufgewachsenen Betrachtenden diente das plastisch modellierte Bild als ausdrucksvolles Gestaltungselement. Zum Beispiel die Symbolik des Reliefs beim Sündenfall. Gott, Adam, Eva und die Schlange mit Apfel dargestellt in einer Reihe. Und jede Figur zeigt auf den anderen: „Ich war es nicht – ich bin unschuldig – die da hat es mir gesagt!“ Die Künstler haben hier mehr als einfach nur biblische Geschichte gestaltet. Die Sprache der Bilder geht weit über die biblischen Vorgaben hinaus. Auch mehr als tausend Jahre später ist die Botschaft immer noch aktuell.

Die Christus- oder auch Bernwardsäule entstand fünf Jahre später (1020). Das Kunstwerk aus Bronze ergänzt mit Szenen aus dem Leben Christi die Darstellungen der Bernwardtür. Nicht ohne Grund genießen diese beiden Kunstwerke Weltruhm. Ein Grund mehr, sich darüber zu freuen, Hildesheimer zu sein.

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